Newsletter | 23.06.2025 Vermiedene Netzentgelte – ein Auslaufmodell? Autoren: Holger Nestler | Dr. Petr Svoboda

 

Die vermiedenen Netzentgelte waren nicht erst in letzter Zeit umstritten – nun sollen sie aber vor dem Auslaufen der Regelungen der Strom-Netzentgeltverordnung bereits ab 2026 stufenweise gesenkt werden. Betroffen sind davon im Wesentlichen KWK-Anlagen und Anlagen in der sonstigen Direktvermarktung.

Anlagenbetreibern nicht-volatiler EEG-Anlagen sowie KWK-Erzeugungsanlagen mit IBN bis 31.12.2022 (volatile EEG-Anlagen bis 31.12.2020 abgeschmolzen) wurde unter dem etablierten Netzausbaustatus der Vergangenheit ein entlastender Beitrag der elektrischen Energieströme aus dem vorgelagerten Netz zuerkannt. Dieser war im Wesentlichen auf einer Saldierung von dezentralen Lastsenken mit dezentralem Leistungsdargebot ausgerichtet. Dem lag die Annahme zugrunde, dass dezentrale Einspeisung u.U. hilft, den Netzausbau zu vermeiden. Dafür wurde eine monetäre Gutschrift als vermiedene Netznutzung (vNE) an die Anlagenbetreiber ausgereicht. Mit dem Hochlauf der dezentralen Erzeugungsanlagen – angetrieben durch öffentliche Förderprograme – ist diese Situation zunehmend von einem Umkehreffekt geprägt. Der Netzausbau lässt sich dadurch nicht mehr vermeiden – im Gegenteil: Die Rückspeisung überschüssiger dezentral erzeugter Energie in die vorgelagerten Netzebenen erfordert sogar zusätzlichen Ausbau. Die Netze dienen immer weniger der Versorgung der Kunden, sondern zunehmend dem Abtransport des dezentral eingespeisten Stroms. Unter dieser sich veränderten Energienetzarchitektur ist das uneingeschränkte Entlastungsmoment nicht mehr gegeben. 

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt der Verordnungsgeber in Ausübung der Wahrung von Diskriminierungsfreiheit und Verursachungsgerechtigkeit und in einem mehrstufigen Prozess, dezentrale Erzeugungsanlagen in den Kostenwälzungsprozess einzubeziehen.

In einem ersten Schritt plant die Große Beschlusskammer der Bundesnetzagentur die stufenweise Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte bis 31.12.2028 wie folgt:

  • 25% zum 01.01.2026
  • 50% zum 01.01.2027
  • 75% zum 01.01.2028
  • 100% zum 01.01.2029


Die Anpassung der Netzentgeltsystematik sah ab der 5. Regulierungsperiode eine ersatzlose Streichung der Regelung nach §18/2 StromNEV vor, so dass die neue Regelung lediglich eine Vorwegnahme der bereits früher vorgesehenen Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte darstellt. In einem zweiten Schritt sollen Netzausbaukosten auf Erzeugungseinheiten zusätzlich (AgNes) umgelegt werden.

Auch wenn die vermiedenen Netzentgelte schrittweise bis 2029 de facto abgeschafft werden sollen, sind bis dahin noch weiter einige Besonderheiten zu beachten. Dies gilt insbesondere für Anlagen, die „ausgefördert“ sind.

Ohnehin sind nunmehr nicht-volatile Anlagen bezüglich vNE ansatzfähig, und das nur, wenn sie vor dem 01.01.2023 in Betrieb gegangen sind. Dabei zählt das Inbetriebnahmedatum, unabhängig davon, in welchem Netz die Anlage angeschlossen wurde. Es ist also (kurios aber) möglich, Anlagen neu in einem Netz anzuschließen, die zuvor in einem anderen Netz betrieben worden sind – die vNE ziehen quasi mit um.

Im Ergebnis verbleiben in der Betrachtung zunächst Anlagen, die dem EEG unterliegen. Insbesondere betrifft das Wasser- und Biomasseanlagen. Dabei erhält der Anlagenbetreiber einen Anspruch auf vNE nach §18 Abs.1 Satz 1 StromNEV, sobald die Anlage aus der Förderung fällt. In diesem Fall sind die Anlagen z.B. in der sonstigen Direktvermarktung und die vNE werden vom Verteilnetzbetreiber an den Anlagenbetreiber direkt ausgezahlt. Der VNB hat einen Aufwand, den er als vermiedene Netzentgelte in seiner Kalkulation geltend macht. Wenn eine Anlage gefördert wurde, zog der Übertragungsnetzbetreiber die vermiedenen Netzentgelte zuvor von der Vergütung an den VNB ab – dieser hatte dadurch entsprechend Mindereinnahmen. Der Anlagenbetreiber selbst hatte auch keinen Anspruch auf die vNE. So ändern sich die Geldströme am Ende der EEG-Zeit beim VNB, auch wenn die ansetzbaren Beträge prinzipiell gleich ermittelt werden. Da aber Anlagen zunehmend aus der Förderung fallen, tritt diese geänderte Verrechnung immer häufiger auf.

Anders verhält es sich dagegen bei Dieselaggregaten sowie KWK-Anlagen (BHKW), die dem KWKG unterliegen: Sie erhalten zusätzlich zum KWK-Zuschlag u.a. die vermiedene Netznutzung. Mit Auslaufen des KWK-Zuschlags behielten sie bislang den Anspruch auf vermiedene Netzentgelte auf unbestimmte Zeit, der nun mit der neuen Regelung allmählich mit dem Jahr 2029 endet.

Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Holger Nestler
holger.nestler@bet-consulting.de

Dr. Petr Svoboda
petr.svoboda@bet-consulting.de

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