Die Regulierung im Bereich der nachhaltigen Finanzierung gewinnt für Stadtwerke und Energieversorger an Bedeutung. Zwar sollen kleine und mittelgroße Unternehmen durch das Omnibus-Paket von der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ausgenommen werden; dennoch werden diese Unternehmen weiter – und in zunehmendem Maße – Nachhaltigkeitsdaten zur Verfügung stellen müssen. Der Hintergrund: Finanzinstitute und Versicherer unterliegen zunehmend regulatorischen Vorgaben zur Offenlegung von ESG-Risiken (Environmental, Social, Governance) und benötigen hierfür belastbare Daten ihrer Kunden.
EU-Taxonomie als zentrales Instrument der Bankenregulierung
Als zentrales Instrument der Nachhaltigkeitsregulierung im Finanzsektor schreibt die EU-Taxonomie Banken die Offenlegung der sogenannten Green Asset Ratio (GAR) vor. Diese Kennzahl beschreibt, welcher Anteil der finanzierten Vermögenswerte eines Instituts nachhaltig ist. Für die Berechnung der GAR wird – vereinfacht gesagt – das taxonomiekonforme Geschäftsvolumen durch das Gesamtgeschäftsvolumen geteilt.
Die GAR berücksichtigt ausschließlich Finanzierungen für Unternehmen, die selbst CSRD- und damit Taxonomie-berichtspflichtig sind. Da die GAR von Banken, die viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) finanzieren – die nicht berichtspflichtig sind – deshalb sehr niedrig ausfällt, empfiehlt die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) den Banken die zusätzliche Ermittlung einer verwandten Kennzahl: Die Banking Book Taxonomy Alignment Ratio (BTAR). Diese Kennzahl funktioniert ähnlich wie die GAR, berücksichtigt aber auch KMU.
Während Banken die Taxonomie-Bewertungen von CSRD-pflichtigen Unternehmen direkt verwenden können, müssen die Kreditinstitute die Bewertungen für KMU selbst durchführen – und hierfür die entsprechenden Daten von den Unternehmen abfragen.
Stabilität des Finanzsektors: ESG-Risiken im Fokus der Bankenaufsicht
Darüber hinaus verpflichten die jüngsten Novellen der Capital Requirement Directive (CRD VI) und Regulation (CRR III) Banken dazu, ESG-Risiken – allen voran Klimarisiken – systematisch in ihre Risikosteuerung zu integrieren. Um zu bewerten, welche und wie viele Nachhaltigkeitsrisiken in den Büchern der Banken schlummern, müssen diese entsprechende Daten bei ihren Kunden abfragen. Forciert wird diese Entwicklung von der Europäischen Zentralbank, die die oberste Aufsichtsbehörde im Euroraum darstellt.
Wichtig ist: Sowohl die CRR III als auch die CRD VI sind erst 2024 in Kraft getreten und entfalten ihre volle Wirkung erst ab 2025 bzw. 2026. Somit stehen wir erst am Anfang eines verstärkten Nachhaltigkeitsfokus im Bankensektor.
Gemeinsamer ESG-Datenkatalog der Banken- und Versicherungsverbände
Bisher unterscheiden sich die abgefragten Nachhaltigkeitsdaten teils deutlich – je nachdem, welche Bank oder Versicherung die Anfrage stellt. Deshalb haben mehrere Verbände aus der Banken- und der Versicherungsbranche eine einheitliche ESG-Datenliste veröffentlicht. Ergänzend wurde auch eine Handreichung speziell für Energieversorgungsunternehmen erstellt. Beide Dokumente sind hier zu finden.
Der Datenkatalog und die Handreichung geben kleinen und mittelständischen Versorgern eine wertvolle Orientierung, welche Angaben für Banken und Versicherer relevant sind. Wichtige Punkte sind u. a. ein Transformationsplan zur Dekarbonisierung des Unternehmens sowie eine Klimarisikoanalyse.
Datenanforderungen mithilfe eines freiwilligen Nachhaltigkeitsberichts erfüllen
Eine praxisfähige Grundlage zur Beantwortung solcher Anfragen bildet der von der EFRAG entwickelte freiwillige KMU-Nachhaltigkeitsberichtstandard (VSME). Eine Auswertung von BET zeigt, dass gut drei Viertel der Datenpunkte aus dem ESG-Datenkatalog über den VSME abgedeckt sind.
Der freiwillige Nachhaltigkeitsberichtsstandard, zu dem die EU-Kommission mittlerweile auch eine offizielle Empfehlung ausgesprochen hat, ermöglicht es EVU und anderen nicht-CSRD-pflichtigen Unternehmen, relevante ESG-Daten strukturiert und verhältnismäßig bereitzustellen, ohne den Aufwand einer umfassenden Berichterstattung nach CSRD.
Die EU-Kommission hat deutlich gemacht, dass Finanzinstitute und große Unternehmen angehalten sind, ihre Datenanforderungen an KMU möglichst an diesem Standard auszurichten. Der VSME-Standard stellt damit nicht nur ein Instrument zur Erfüllung wachsender ESG-Anforderungen dar, sondern fördert auch die Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeitskennzahlen im Finanzierungsprozess.
Auch für Investoren wird Nachhaltigkeit wichtiger
Neben den klassischen Banken sind auch Investoren zunehmend auf nachhaltige Kennzahlen angewiesen, insbesondere wenn energiewirtschaftliche Assets in „grüne“ oder nachhaltige Finanzprodukte aufgenommen werden sollen.
Die Sustainable Finance Disclosure Directive (SFDR) unterscheidet hier zwischen Finanzprodukten, die ökologische oder soziale Merkmale berücksichtigen (Artikel 8 SFDR), und solchen, die ein nachhaltiges Investitionsziel verfolgen (Artikel 9 SFDR). Beide Produktkategorien setzen voraus, dass Informationen über die Nachhaltigkeit der finanzierten Aktivitäten oder Unternehmen vorliegen.
Für EVU kann daraus folgen, dass bei Beteiligungen von Finanzinvestoren zusätzliche ESG-Informationen notwendig sind, um die Investitionsfähigkeit im Rahmen solcher Produkte sicherzustellen.
Insgesamt zeigt sich, dass auch ohne unmittelbare CSRD-Pflicht vielfältige ESG-Anforderungen auf Stadtwerke und Energieversorger zukommen. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit relevanten Nachhaltigkeitskennzahlen ist daher strategisch wichtig, um Finanzierungsmöglichkeiten offen zu halten, Investorenanforderungen zu erfüllen und regulatorischen Erwartungen zu begegnen.
Gerne stehen wir bei Fragen und für einen Austausch zur Verfügung.
Sebastian Seier
Leiter Kompetenzteam Nachhaltigkeit & Klimaschutz
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Kaj Neumann
Senior Consultant
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Philip Hillebrand
Consultant
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