Energiepolitik & Systemanalyse | 02.06.2025 Versorgungssicherheit first? Die Energiepolitik der neuen Bundesregierung Autoren: Ralph Kremp | Johannes Kempen

 

Deutschland hat eine neue Bundesregierung. Die Verhandlungen zum Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD liefen geräuschlos, das Energiekapitel wurde weitestgehend positiv aufgenommen und auf die Ernennung der neuen Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche gab es ebenfalls wohlwollende Reaktionen aus der Branche. Auch Reiches Dankesworte an ihren Vorgänger Robert Habeck bei der Amtsübergabe mögen für manchen überraschend gewesen sein: Habeck, der in der vergangenen Legislaturperiode durch die Unionsfraktion wiederholt als schlechtester Wirtschaftsminister der Bundesregierung bezeichnet worden war, erhielt nun Dank für seine „fast übermenschliche Leistung“ während der drohenden Gasmangellage. Dennoch: Eine Fortsetzung der Energiepolitik der Ampel plant die neue Bundesregierung nicht.

Zunächst fällt die Änderung des Ressortzuschnitts auf. Das bisherige BMWK heißt nun BMWE –Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Für das „K“, den Klimaschutz, ist künftig das SPD-geführte Umweltministerium zuständig. Unter der Annahme, dass Klimaschutz als Querschnittsaufgabe zu betrachten ist, ist dies nachvollziehbar. Es könnte auch deshalb eine Chance sein, weil die ursprüngliche Herangehensweise der Vorgängerregierung, die Klimaschutzziele auf die Sektoren Wohnen, Verkehr und Energie aufzuteilen und die Verantwortung zur Zielerreichung damit einem SPD-, einem FDP- und einem Grün-geführten Ministerium zu überlassen, erkennbar gescheitert ist. Die voneinander getrennten Sektorenziele hatte die Ampel deshalb schon im Frühjahr 2023 auf Druck der FDP hin aufgegeben. Mit welcher Konsequenz die neue Bundesregierung den Klimaschutz in Zukunft verfolgen möchte, wird sich vermutlich schnell zeigen und Konfliktpunkte dürften schnell zutage treten, beispielsweise bei der Frage, welches Ministerium bei der Umsetzung des ETS-2 die Federführung haben soll.

Energieministerin Katherina Reiche hat sich diesbezüglich klar positioniert: „Versorgungssicherheit first“, lautete eine der Kernbotschaften in Reiches ersten Auftritten ab Amtsübernahme. Nach Jahren einer Überbetonung des Klimaschutzes sei es ihr Ziel, den Fokus auf die anderen Komponenten des energiepolitischen Dreiecks zu legen, auf Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit also.

Kurzfristig geplant ist ein „Realitätscheck der Energiewende“. Bis zum Sommer will das BMWE die Ausbauziele für Erneuerbare ebenso wie für Netze kritisch hinterfragen, den Stand der Digitalisierung prüfen und auf dieser Grundlage die zukünftigen Bedarfe für Strom und  Wasserstoff neu ermitteln. Das Ergebnis dieser Untersuchung wird die künftige Energiepolitik Deutschlands maßgeblich prägen. Es wird der Ministerin außerdem programmatischen Einfluss verschaffen, denn der Koalitionsvertrag enthält diesbezüglich wenig konkrete Verabredungen.

Indes klar ist, dass die Versorgungssicherheit durch neue Gaskraftwerke gewährleistet werden soll: 20 Gigawatt Zubau sollen bis 2030 ans Netz gehen. Angesichts der Hängepartie um die Kraftwerksstrategie der Ampel ist diese deutliche Positionierung sicherlich zu begrüßen. Doch auch hier steckt der Teufel im Detail, denn der Zeitplan ist offensichtlich sehr ambitioniert und auch die wirtschaftliche Perspektive für Investoren offen. Ein Kapazitätsmechanismus ist zwar angekündigt, aber auch er muss erst ausgestaltet und in Einklang mit dem ebenfalls noch offenen zukünftigen Marktdesign gebracht werden. Auf Kritik stößt, dass ausdrücklich nicht mehr die Rede davon ist, dass neue Gaskraftwerke H2-ready sein müssen. Die Strategie der schnellen Integration von Gaskraftwerken stößt auf geteiltes Echo. Während dieser Vorschlag von der Versorgungswirtschaft und den Netzbetreibern weitgehend begrüßt wird, sieht die Erneuerbaren-Szene in diesem Vorschlag einen Rückschritt hin zu einer fossilen Erzeugungsstruktur.

Union und SPD möchten die Energiepreise senken. Das ist wenig überraschend – hatte vor allem die Union ihre Kritik an der Energiepolitik der Ampel doch immer wieder mit den Kosten begründet. Die hier angekündigten Entlastungen sollen die Akzeptanz für die Energiepolitik erhöhen und das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Weiterhin soll die Stromsteuer sinken, sollen CO2-Einnahmen zurück an Verbraucher und Unternehmen fließen, die Rahmenbedingungen der Fernwärme mit Blick auf Verbraucherschutz und Netzausbau weiterentwickelt werden. Angekündigt ist außerdem die Einführung eines Industriestrompreises sowie eine Deckelung der Netzentgelte.

Deutlich macht die neue Ministerin, dass sie für klassische CDU-Positionen steht: Das Ministerium solle wieder das ordnungspolitische Gewissen werden, Bürokratie abgebaut und technologieoffene Politik betrieben werden. Ein vollständiger Bruch mit der Energiepolitik der Vergangenheit ist dennoch nicht geplant. Dies zeigt sich beispielhaft am Festhalten des Klimaziels 2045 sowie am Atom- und Braunkohleausstieg.

 

Ralph Kremp
Partner
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Johannes Kempen
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